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19.07.2012

Gletscherkurs auf der Oberwalder Hütte (2973m)

Filed under: Kurse,Tourenberichte — admin @ 18:01

28. Juni bis 01. Juli 2012, mit Christoph Blaser, Simone Heer und Matthias Ruderer – Nach zwei  interessanten Theorieabenden und dem darauf folgenden Ausrüstungskaufrausch trafen wir uns bei bestem Wetter pünktlich um sieben Uhr morgens am Bahnhof Altenerding. Wir, das heißt acht lernbegierige Bergschüler, zwei  lernbegierige Bergschülerinnen und die zwei Tourenleiter Simone und Christoph. Matthias, der dritte im Bunde, sollte am Freitagabend zur Hütte nachkommen.

Die Anfahrt über den Großglocknerpass zur Franz-Josefs-Höhe zog sich wegen der Pilgerscharen, die an diesem Tag auf der Passstraße nach Heiligenblut unterwegs waren, ein wenig in die Länge, so dass wir von unserem Startpunkt erst gegen 13 Uhr loskamen, was aber der guten Laune keinen Abbruch tat.

Orientierung im Gelände

Auf halbem Weg zur Hütte gab es die erste Unterweisung in Orientierung auf der Karte; als jedoch nach verschiedensten Ansätzen, den gefragten Gipfel zu benennen, selbst Christoph nicht mehr ganz sicher war, gaben wir das vorerst auf und marschierten weiter. Etwas später galt es, einige leicht geneigte Schieferplatten zu überwinden und ich wurde dabei erwischt, wie ich die Hände zu Hilfe nahm… Die nächste halbe Stunde verbrachten wir deshalb damit, das „Auf-Reibung-Gehen“ zu üben. Danach wurde das Gelände steiler und wir erreichten die Oberwalder Hütte über ein langes Schneefeld und eine steile Felsrippe – die meisten ein wenig außer Atem, da wir alle weder die Höhe (fast 3000m) noch die doch ziemlich schweren Rucksäcke gewohnt waren. Der verbleibende Nachmittag und Abend gestaltete sich gemütlich in der Sonne vor der Hütte und dann bei einem leckeren Abendessen.

Sonnige Hütte

Mehr oder weniger ausgeschlafen saßen wir am nächsten Tag um sieben beim  Frühstück mit einer etwas zerknirscht wirkenden Tourenleiterin – es hatte in der Nacht geregnet und ausgerechnet ihre Bergstiefel waren zum „Trocknen“ draußen vergessen worden. Aber der Hüttenwirt stellte großzügig seine Schuhe zur Verfügung. Und die waren – obwohl drei Nummern zu groß – angeblich mindestens genauso bequem wie ihre eigenen.

Also ging es im aufkommenden dichten Nebel einige Meter von der Hütte weg und wir übten das Prinzip der Spaltenbergung mittels Flaschenzugs zunächst auf der Ebene „im Trockenen“. Nachdem jeder jede Position einmal durchgespielt hatte und das System uns nicht mehr ganz wie ein Buch mit sieben Siegeln vorkam, seilten wir uns an (wer hätte gedacht, dass das Aufteilen eines Seiles in sechs gleiche Abschnitte so kompliziert sein könnte!) und übten bei  inzwischen wieder schönstem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen um die 10 Grad (im Tal sollte es unerträgliche 35 Grad heiß werden) in der Seilschaft gehen.

Nach einem Süppchen vor der Hütte begann am Nachmittag der praktische Teil der Spaltenbergungsausbildung. In zwei Seilschaften aufgeteilt durfte sich jeder einmal tollkühn über eine steile Firnkante stürzen, wurde pflichtbewusst gehalten und „gerettet“. Quatschnasse Handschuhe, feuchte Klamotten, Schneebälle zum Abgestürzten, die wieder heraufkamen, mein Schraubkarabiner, der im Übereifer im Abgrund landete und trotz meines „tollkühnen“ Abseilmanövers nicht zu bergen war … wir hatten eine Mordsgaudi.

Am nächsten Morgen waren wir dann vollständig. Matthias hatte am Vorabend als rasendes Glühwürmchen die Hütte um 22.30 Uhr erreicht. Nach dem Frühstück ging es dann als Seilschaft über den Gletscher in weitem Bogen zu einem steilen Firnhang unterhalb der Hütte. Dort durften wir dann unseren Spieltrieb voll ausleben. Auf dem Programm standen Rutsch-  und Bremstechniken im Firn. Auf dem Bauch mit dem Kopf nach oben, dann Kopf voraus, auf dem Rücken mit dem Kopf nach oben und am Schluss auch rückwärts mit dem Kopf nach unten. Bei dem Versuch mit Rückwärtsrolle zu bremsen schürfte ich mir im Übereifer sogar das Kinn auf – aber das tat dem Spaß keinen Abbruch.

Mit Degengriff aufwärts

Außer Atem vom vielen Aufwärtssprinten sollten wir dann nacheinander am Fixseil mittels Degengrifftechnik den ganzen Hang  hinauf stapfen. Es waren nur sechzig Meter Seil, aber oben angekommen schnauften die meisten von uns wie nach mindestens einem Hundertmetersprint – wo war nur meine Kondition geblieben?

Mittagspause auf einigen schön von der Sonne aufgewärmten Felsplatten. Dass wir zwei Bergschülerinnen die Höhensonne im ärmellosen Top genossen wurde natürlich vom gestrengen Lehrer Matthias mit dem augenzwinkernden Hinweis auf eine der Hochgebirgsgefahren quittiert. Wieder ordentlich (langärmlig) angezogen lernten wir nun, uns mit Steigeisen im steilen Blankeis zu bewegen. Seitlich aufwärts, mit den Frontalzacken senkrecht nach oben, queren immer alle Zacken aufsetzen, und senkrecht nach unten breitbeinig und den Hintern weit nach hinten gelehnt – was uns ab einer gewissen Neigung am meisten Überwindung kostete. Wir übten, bis unsere drei  Chefs zufrieden waren.

Prüfblicke der Chefs

Zurück zur Hütte hatte Matthias die Direttissima im Auge, einen in meinen Augen beunruhigend steilen „Firngrat“. Da wir nicht sicherten wurde der Anstieg natürlich auch ohne Seil in Angriff genommen. Aber der Schnee war griffig, die Steigung betrug letztendlich nicht mehr als ca 35° und die „Randkluft“ oben zum Felsen ließ sich mit Hilfe der Hand von Simone leicht bewältigen. Matthias hatte den richtigen Riecher gehabt und wir unser kleines Abenteuer.

Hilfreiche Hand

Wieder in der Hütte galt es nun, die Tour für den nächsten Tag zu planen. In zwei Gruppen aufgeteilt machten wir uns eifrig daran, minutiös mit Karte, Entfernungsmessfaden und „Sachverstand“ eine Route auf den Johannisberg (3453m) zu finden. Unserer Gruppe erschien der direkte Angriff über die Südostflanke zu steil, so planten wir in weitem Bogen auf die (anscheinend) viel  flachere Südwestflanke auszuweichen. Trotz unser exakten Routenführung und genauester Zeitplanung fiel unser Vorschlag gnadenlos durch. Die „Konkurrenzgruppe“ hatte sich einfach beim Hüttenwirt erkundigt und auch die offensichtliche Spurenführung in natura beachtet – die Routenführung stand fest.

Johannisberg mit Aufstiegsspur

Am Sonntag war dann nichts mit Ausschlafen. Frühstück um fünf, Aufbruch um sechs. Es war immer noch wolkenlos und ungewöhnlich warm, aber es blies ein unangenehm böiger Westwind. Die beiden Seilschaften sollten unabhängig voneinander marschieren, und unsere „Lehrer“ übernahmen auch nur einen mehr oder weniger passiven Mittelplatz. Unsere Gruppe kam zuerst los und eilte in flottem Schritt in einem riesigen Bogen (Gletscherbrüche und Höhenverlust umgehend) dem Ziel entgegen. Aus der Nähe betrachtet war die Steigung  des  Gipfelaufbaus mehr als harmlos und die zu überwindenden Gletscherspalten noch gut zugeschneit, so dass wir nicht einmal die Steigeisen anlegten.

Die Herausforderung war für den jeweilig Führenden, das richtige Tempo für der Gruppe zu finden – was im Endeffekt allen gut gelang. Weiter oben wurde es anstrengender, da der Firn derart weich war, dass ich als Kleinste oft bis zum Schritt einsank. Aber der Gipfel war trotzdem unser, über eine halbe Stunde schneller als der Zeitplan. Das zweite Team ließ nicht lange auf sich warten und nach trotz Windes gemütlicher Gipfelrast mit fantastischer Aussicht nahmen wir den Abstieg in den Angriff.

Flott ging es über den weichen  Firn abwärts und ohne Pause auch über den weiten, fast ebenen Gletscher zurück Richtung Hütte. Nur hatten wir diesmal eine weibliche langbeinige Rennsemmel als Seilerste, und da weder ich, die mit ihren kurzen Haxen doppelte Schrittfrequenz laufen musste, noch die drei starken Männer sich trauten zu protestieren, waren wir in Rekordzeit wieder an der Hütte.

Nach dem Mittagessen packte jeder seine sieben Sachen, voller Verwunderung darüber, dass die daheim sorgfältig verstaute Ausrüstung jetzt kaum noch in den Rucksäcken Platz fand. Steigeisen und Jacken baumelten nun aus Platzmangel  außen angeschnallt und einer von uns behielt sogar aus lauter Verzweiflung seinen Klettergurt inklusive Karabiner und Reepschnüre umgebunden. Gut gelaunt ließen wir die Hütte zurück und stiegen Richtung  Zivilisation und Alltag ab.

Es waren vier tolle Tage mit vielen neuen Erfahrungen und einer großartig harmonisierenden Gruppe. Vielen Dank, Simone, Christoph und Matthias!

Steigeisenfeste Gruppe

Teilnehmer: Peter Baierl, Roland Lang, Michael Winter, Florian Stetter, Harald Schramek, Rüdiger Lindner, Mary Brandmayer, Sebastian Reindl, Gerhard und Petra Seewald (Bericht)
Leitung: Simone Heer, Christoph Blaser, Matthias Ruderer

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